Das Thema Reisen und Klimawandel bewegt uns alle. Umdenken, vielleicht mal über Alternativen nachdenken, da macht uns die junge Generation etwas vor. So auch meine zwei jungen Gäste, die von Berlin nach Castellabate mit dem Zug gereist sind.
„Wir kommen mit dem Zug, können Sie uns vom Bahnhof Agropoli abholen?“ Natürlich, ich war gespannt. Was die beiden erzählen.
Die Strecke Berlin-Castellabate ist 1800 km lang und ist mit dem Zug in einem Tag zu schaffen. Einstieg Berlin Südkreuz war morgens 4.35h. Ankunft sollte ca 22.00h in Agropoli sein. Dreimal Umsteigen ist nötig, mit sehr sportlichen Umsteigezeiten in München, Bologna und Neapel. Und die beiden jungen San Leo Gäste kamen an, eine halbe Stunde früher als erwartet, geschafft glücklich und voller Reisegeschichten.
Sie hatten sich gut vorbereitet. Kleines Nackenkissen, Kuscheldecke, die Handys voller Podcasts, Musik und Hörspielen. Süßes, Salziges, kraftspende Getränke und einige knifflige Soduko-Ausdrucke waren im Gepäck.
Dieser superschnelle Zug rast in 4 Stunden nach München. Es herrscht morgenmüde Ruhe und jedes lautere Geräusch wird in der Ruhezone mit: PSST! Kommentiert. Das Publikum besteht hauptsächlich Geschäftsreisenden und Bahnprofis, die den Sonnenaufgang draußen kaum wahrnehmen. Es wird meist geschlafen, mindestens gedöst.
Der Zug ist gut besetzt, jedoch bekommt man von den anderen Reisenden kaum etwas mit. Erst in der letzten Stunde wird dem Schaffner der Kaffee vom Tablett gegriffen. München ist so schnell da, das kaum Zeit bleibt nervös auf die Uhr zu schauen und erleichtert festzustellen, dass alles im Plan ist und dem Umstieg nichts im Wege steht. In zehn Minuten werden schnell die Gleise gewechselt.
Hier ist schon mehr Zug zu spüren. Der Eurocity ist ein altes Schätzchen, das seit Jahrzehnten über den Brenner rattert. Der Großraumwagen hat tiefere Lehnen, so kann man den ganzen Wagen überblicken. Ein vergangenes Gefühl des Bahnfahrens kommt auf, es gibt Fenster zum Aufklappen!
Blickkontakte mit den anderen Passagieren sind möglich. Zum Zeitvertreib kann man sich vorstellen wie die Familie am Eingang ihren Urlaub verbringen wird. Auf welchen Gipfel die Wanderschuhträger wohl steigen und vielleicht von dort aus mit dem Gleitschirm wieder nach unten fliegen. Die Urlaubsstimmung ist mit Händen greifbar und dann auch noch die Namen der Stationen klingen immer verheißungsvoller: Brennero!!! Bis Bolzano wird eigentlich nur ausgestiegen und erst ab Brixen steigen Italiener zu. Diese erkennt man sofort am stetigen Handygebrauch, natürlich per Lautsprecher.
Da es kein Internet gibt wird gespielt, gelesen, rausgeguckt. Leider ist das Wetter schlecht und erst in der letzten Stunde kann man in die Voralpenwelt schauen.
Über 6 Stunden bis Bologna, da wird auch mal wieder eine Stunde verschlafen. Beim Einfahren in den Bahnhof steigt der Adrenalinspiegel, denn die 15 Minuten Umsteigezeit sind schon fast aufgebraucht. Aber der Anschlußzug steht am Gleis gegenüber.
Erst jetzt fällt auf, dass der Brenner-Express nicht klimatisiert war, denn es herrscht eisige Kühle. Nicht nur in der Temperatur auch zwischen den Reisenden. Wieder im Raumschiffmodus sind alle Reisende am Laptop oder Handy. Wie ein Spaceshuttel rast der Zug mit 350km/h durch Norditalien und der ständige Ohrendruck zeigt an, dass es immer weiter nach unten geht.
Fast wehmütig wird es einem, wenn man bedenkt, dass man in Bologna nicht einmal einen Cafe getrunken hat.
Das Italien und nicht Deutschland durchquert wird merkt man nur daran, dass trotz Arbeitsatmosphäre laut telefoniert wird und niemand sich aufregt.
Nach dreieinhalb Stunden verschlägt einem die feuchtwarme Luft auf dem Bahnhof in Neapel fast den Atem. Aber nur fast, denn der Regionalzug hat wie der Frecciarossa 15 Minuten Verspätung, aufatmen. Ein Gleichklang der Verspätungen, der italienische Lebenskunst direkt in die Blutbahn transportiert.
Die letzten 90 Minuten der Fahrt sind angebrochen und das ist auch gut so. Der Regionale lässt die Region wirklich spüren. Die Klimaanlage geht nicht, die Fenster kann man nicht öffnen. Es ist laut, es ist dreckig und es ist heiß. Wenn gehalten wird kommt der „Duft“ von Büffeln und Mist herein. Den Eindruck im Zoo oder Zirkus gelandet zu sein verstärken die Mitreisenden. Handys plärren nicht nur die Stimmen von Müttern und Freunden laut in die Welt, sondern auch ganze Filmmusiken und Spielgeräusche hört man gerne auf Lautsprecher. Alle reden, nur die beiden berliner Mädels nicht mehr. Wenn der Schaffner im Anmarsch ist, fallen immer wieder einige Personen auf, die schnell den Wagen wechseln.
Erschöpft, aber überglücklich werden die Rucksäcke auf den Bahnsteig von Agropoli geschleift: Angekommen nach 17 Stunden, duschen, Terrasse sitzen, Mozzarella essen, schlafen und morgen gleich ans Meer!
Diese vier Welten auf dem Weg in den Süden haben insgesamt die Fahrt kurzweilig gemacht. Auf dem Rückweg soll aber mehr Zeit sein für die schönen Städte Verona und Bologna. Jeweils soll dort eine Nacht verbracht werden und so die Zugreise durch Italien Stück für Stück genossenen. Für eine Reise mit dem Flugzeug von Berlin nach Castellabate benötigt man von Tür zu Tür 6 bis 8 Stunden, die sind aber sehr viel langweiliger!!