27 Jan Wildbienen entdecken
Von flotten Wildbienen und eigener Muße
Eigentlich war unserer Frühlingsgast der Biologe Dr. Günter Matzke-Hajek zum Radfahren gekommen, aber auch die Wildbienen haben es ihm angetan.
Herzlichen Dank Günter, nicht nur für viel interessante Details, sondern auch für Deine fantastischen Fotos.
San Leo ist ein toller Ort, um Wildbienen und andere interessante Insekten zu beobachten. Keine Sorge, Wildbienen gebärden sich nicht wilder als normale Honigbienen. Im Gegenteil: die meisten Arten sind scheu und fliegen weg, wenn man sich ihnen zu schnell nähert. Tipp 1 für die Bienenbeobachtung lautet deshalb: nie hektisch, sondern möglichst wie in Zeitlupe bewegen. Für das eigene Urlaubsgefühl ist es ohnehin am besten, sich einfach hinzusetzen und anderen beim Arbeiten zuzuschauen…
Abb. 1: Am auffälligsten sind die großen schwarzblauen Holzbienen, die regelmäßig zwischen den Blütenständen des Blauregens am Mauerwerk von Filomena patrouillieren.
Eine häufige Wildbiene in San Leo gehört zur Gattung der Pelzbienen. Die sehen aus wie kleine blasse Hummeln, denn ihr kompakter Körper ist von einem dichten Haarkleid bedeckt. Bei sonnigem Wetter im Frühjahr sind sie stets am Lavendel zu finden, den wir an einigen Wegen gepflanzt haben. Anhand der Makrofotos konnte Günter die Art bestimmen, was bei den Pelzbienen nicht ganz einfach ist, denn es gibt in Italien zahlreiche sehr ähnliche Arten. Unsere heißt mit wissenschaftlichem Namen Anthophora dispar. Das Wort dispar bedeutet „verschiedenartig“ und spielt darauf an, dass Männchen und Weibchen sehr unterschiedlich aussehen. Man könnte Bienenfrau und Bienenmann deshalb leicht für verschiedene Arten halten.
Abb. 2: Die Männchen der Pelzbiene Anthophora dispar haben eine charakteristische hellgelbe Gesichtszeichnung. Dieses Tier saugt Nektar an einer Affodillblüte.
Die beste Tageszeit, um die Pelzbienen zu beobachten, ist morgens, wenn es noch nicht zu warm ist. Meist sind die Weibchen rastlos an den Blüten unterwegs, aber wenn sich ein Wölkchen vor die Sonne schiebt, legen sie manchmal eine kurze Siesta ein. Wie in Trance ruhen sie dann an einem Lavendelzweig. Pelzbienen sind wahre Schönheiten: Die von einem feinen Haarschleier umgebenen hell-olivgrünen Augen, das dezente Streifenmuster ihres Hinterleibs und die fuchsrot behaarten Hinterbeine bilden einen hübschen Farbkontrast.
Abb. 3: Die Pelzbiene Anthophora dispar an einer Lavendelblüte. Nur bei den Weibchen ist der dunkle Hinterleib von hellgrauen Haarbinden quergestreift, ihr Gesicht ist von dichten kurzen Haaren bedeckt.
Während Hummeln soziale Insekten sind und kleine Völker bilden, leben die meisten Wildbienen einzelgängerisch. Gut versteckt legen die Weibchen in der Erde, in einem toten Baumstamm oder einem trockenen, hohlen Pflanzenstängel eine kleine Niströhre an. Darin deponieren sie gesammelten Pollen, legen ein Ei dazu und verschließen das Kinderzimmer mit einer dünnen Wand. Oft werden mehrere solcher Zimmerchen in Reihe angelegt. Die aus dem Ei kriechenden winzigen Larven ernähren sich vom Pollenvorrat, einem wahren Powerfood, sie wachsen heran und verpuppen sich in der engen Behausung. Als fertige Bienen schlüpfen sie, wenn die Bedingungen draußen passen. Das kann wenige Monate später oder auch im nächsten Frühjahr sein und ist bei jeder Bienenart etwas anders. Wenn Günter im nächsten Jahr wiederkommt, sieht er in San Leo wahrscheinlich die Enkel und Enkelinnen der fotografierten Exemplare.
Abb. 4: Beim Blütenbesuch gesammelter Pollen wird mit den Vorderbeinen in die Sammelbürsten an den Hinterbeinen gestreift, so dass diese schließlich wie dicke orangegelbe Hosen aussehen.
Dr. Günter Matzke aus Insektensicht